CO2-freier Stahl

Für 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ist die Stahlsparte von Thyssenkrupp jedes Jahr verantwortlich. Die Aufgabe, Stahl CO2-frei herzustellen ist riesig und immens teuer. Thyssenkrupp setzt hierfür auf grünen Wasserstoff – und alternativ auf Erdgas.

Der teure Abschied vom Hochofen


Eins ist Bernhard Osburg ganz wichtig. „Wir sind nicht die Kohle“, betont der Chef des größten deutschen Stahlerzeugers Thyssenkrupp, bevor er am Montag mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) über das riesige Gelände des Stahlwerks in Duisburg fährt. Die Stahlproduktion sei kein Auslaufmodell, wie die in Deutschland längst zu Grabe getragene Steinkohleförderung, will Osburg damit deutlich machen. Autos, Waschmaschinen, Windräder – traditionelle deutsche Produkte oder neue Entwicklungen, nichts davon sei ohne Stahl möglich.

In der Stahlsparte von Thyssenkrupp ist so ziemlich alles riesig, nicht nur das Areal mit Hochöfen, Fabrikhallen, Gleisen, einer Kokerei und einem eigenen Rheinhafen. Auch der CO2-Ausstoß des Hüttenwerks hat entsprechende Dimensionen. Pro Jahr werden 20 Millionen Tonnen freigesetzt – 2,5 Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes.

Osburgs Aufgabe ist es, das Kohlendioxid aus dem Prozess der Roheisenerzeugung herauszubekommen. Bis 2030 sollen 6 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, möglichst durch den Einsatz von grünem Wasserstoff statt Kohle. Wenn Wasserstoff nicht ausreichend zur Verfügung steht, soll übergangsweise Erdgas in die neuen Produktionsanlagen geblasen werden. Mit Erdgas werde der Stahl um die Hälfte sauberer als Stahl aus dem Hochofen, wirbt Osburg für diesen Zwischenschritt. Bis 2045 soll die Stahlproduktion dann komplett C02-frei sein.

Doch noch ist weitgehend unklar, woher der mit Ökostrom erzeugte Wasserstoff kommen soll. Denn auch die Dimensionen des Wasserstoffbedarfs sind riesig. Wollte Thyssenkrupp den benötigten Strom selbst erzeugen, müssten in Duisburg mehr als 3.000 Windräder aufgestellt werden, rechnet Osburg vor.

„Sozialer Sprengstoff“

Etwas mehr Klarheit herrscht bezüglich der Kosten, die anfallen werden, um die Stahlproduktion auf Wasserstoff umzustellen. Thyssenkrupp kalkuliert mit 8 Milliarden Euro. Geld, das der notorisch klamme Stahlkonzern nicht allein aufbringen kann. Auch andere Stahlerzeuger in Deutschland sind dazu nicht in der Lage. Der Bund hat deshalb Förderprogramme in Milliardenhöhe aufgelegt, mit denen Investitionen, aber auch der Absatz von grünem Stahl unterstützt werden sollen.

Geld hat Schulze, derzeit auf Sommertour in NRW, am Montag nach Duisburg nicht mitgebracht. Thyssenkrupp steht noch am Anfang des Bewilligungsprozesses. Eine Projektskizze war vom Umweltbundesamt positiv bewertet worden. Jetzt könne Thyssenkrupp einen konkreten Projektantrag einreichen, sagte die Ministerin. Für Investitionszuschüsse stehen 2 Milliarden Euro bereit, für Absatzhilfen weitere 1,2 Milliarden Euro. Bewerben können sich alle deutschen Stahlhersteller.

Um die Dringlichkeit staatlicher Hilfe zu untermauern, hat Osburg den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Tekin Nasikkol mit zum Schulze-Besuch gebracht. Wenn der Umstieg auf grünen Stahl nicht gelinge, drohe allein Duisburg der Verlust von 13.000 guten, tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen, warnt der Gewerkschafter und fügt hinzu: „Das wäre sozialer Sprengstoff, für die ganze Stadt, für die ganze Region.“

320°/dpa/sk

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