Einwegverpackungen

Zum 1. Januar wird Tübingen als erste Kommune Deutschlands eine Verpackungssteuer einführen. Gegen das Vorhaben ist eine Normenkontrollklage anhängig. Die Stadt will das Vorhaben dennoch durchziehen.

Tübingen führt Verpackungssteuer ein


Mit einem Jahr Verspätung führt Tübingen zum 1. Januar 2022 eine Steuer für Einwegverpackungen und Einwegbesteck ein. Ursprünglich hatte die Stadt die Verpackungssteuer schon zum Januar 2021 einführen wollen. Wegen der Corona-Krise wurde die Einführung aber zurückgestellt, um Betriebe nicht zusätzlich zu belasten.

Nun will die Kommune das Vorhaben umsetzen. Auch eine Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim soll daran nichts ändern. Die Inhaberin eines Tübinger McDonald’s-Restaurants ist der Auffassung, die Verpackungssteuersatzung verstoße gegen Bundes-Abfallrecht. Sie beruft sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kasseler Verpackungssteuer im Jahr 1998. Diese wurde damals als verfassungswidrig eingestuft.

Die Stadt Tübingen hingegen sieht keinen Widerspruch ihrer Regelungen zum Abfallrecht des Bundes. Die Stadt glaubt vielmehr, dass sich die Rechtslage in der Zwischenzeit geändert habe und die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil zu Kassel vom 7. Mai 1998 auf die heutige Rechtslage nicht mehr übertragbar seien. Nach Auskunft der Stadtverwaltung ist eine mündliche Verhandlung in dem Normenkontrollverfahren für das erste Quartal 2022 geplant.

„Klimaschutz und Ressourcenschonung können nicht auf McDonald’s warten“, sagt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). „Wir wollen Müll vermeiden und Ressourcen sparen. Außerdem soll die Stadt sauberer werden“, rechtfertigt er die Einführung der Steuer.

Finanzielle Förderung der Stadt

In Imbissbuden, Bäckereien, Tankstellen und Metzgereien werden ab Anfang des kommenden Jahres 50 Cent fällig für jeden Einweggetränkebehälter sowie für Einweggeschirr und -speiseverpackung und 20 Cent für jedes Einwegbesteck-Set. Pro Mahlzeit werden maximal 1,50 Euro kassiert. Die Verpackungssteuern müssen die Verkaufsstellen zahlen, die in den Einwegverpackungen Speisen und Getränke für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen ausgeben.

Die Stadt unterstützt Gastronomiebetriebe, die ein Mehrwegsystem einführen wollen, mit bis zu 500 Euro für die Anschaffung des Geschirrs. Beim Kauf einer Spülmaschine für das wiederverwendbare Geschirr erhalten Lokale und Bäckereien bis zu 1.000 Euro. Laut Palmer haben 70 Betriebe Fördermittel beantragt, die Summe beläuft sich auf 40.000 Euro. Der Stadtverwaltung waren (Stand: 9.12.) 131 Betriebe bekannt, die schon Mehrweg nutzen oder dies ab 1. Januar 2022 tun werden.

Da die Betriebe bis zum 15. Januar des Folgejahres – also erstmals 2023 – eine Steuererklärung abgeben müssen, rechnet die Stadt auch erst im Jahr 2023 mit Steuereinnahmen, und zwar in einem höheren sechsstelligen Bereich. Aktuell werden laut Stadt 460 Betriebe als steuerpflichtig geführt. „Die meisten Kunden verlangen Wegwerfverpackung, solange das umsonst ist. Viele Gastrobetriebe wollten umstellen, hatten damit aber keinen Erfolg. Erst jetzt steigen viele auf Mehrwegverpackungen um“, betont Palmer.

Nach Kenntnis des Deutschen Städtetags hat bisher keine weitere Kommune eine solche Steuer erhoben. 1998 hatte Kassel eine Verpackungssteuer einführen wollen, war aber vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.

320°/dpa/sr

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