Kunststoffe in der Umwelt

Wie kommt Mikroplastik in die Umwelt? Und welche Mengen sind es? Wissenschaftler haben die Emissionen eingehend untersucht. Eines der Ergebnisse: Der zweitgrößte Emittent sind Abfallentsorger.

Die vielen Quellen für Mikroplastik-Emissionen


Mit jedem Schritt geben Fußgänger Mikroplastik in die Umwelt ab. Rund 100 Gramm Abrieb von den Schuhsohlen sollen es pro Kopf und Jahr in Deutschland sein, haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen errechnet. Damit liegt das Schuhwerk auf Platz sieben der Liste der größten Mikroplastik-Quellen, die sich in der neuen Studie der Umweltwissenschaftler findet.

Bislang stehen vor allem Körperpflegeprodukte und Kosmetika im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte um Mikropartikel aus Plastik. Doch es gibt viel mehr Verursacher: Insgesamt 51 Quellen von sogenanntem primärem Mikroplastik haben die Autoren der Studie „Kunststoffe in der Umwelt“ ermittelt. Auftraggeber waren Chemiekonzerne, Kosmetikhersteller, Wasserverbände, Abfallentsorger und Hochschulen.

Unter Mikroplastik versteht man Partikel und Fasern, die maximal fünf Millimeter messen. Demgegenüber steht Makroplastik, womit größere Objekte aus Kunststoff bezeichnet werden. Laut Studie fallen in Deutschland pro Jahr 330.000 Tonnen Mikroplastik an – gut vier Kilogramm pro Kopf.

An der Spitze der Mikroplastik-Verursacher steht der Abrieb von Autoreifen. Rund ein Drittel der Mikroplastik-Emissionen entfallen laut Studie darauf. Auf Platz zwei folgt bereits die Abfallentsorgung. Hierbei erfolgt die Freisetzung von Mikroplastik insbesondere bei der Kompostierung und beim Kunststoffrecycling. Aber auch die Zerkleinerung von Bauschutt und Metallen setzt die Partikel frei. Die in der Öffentlichkeit als Emittent vielfach genannten Duschbäder belegen nur Platz 17 der Negativliste.

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Wie die Studie ebenfalls zeigt, sorgt Makroplastik – also Plastiktüten und andere achtlos weggeworfene Kunststoff-Produkte – in Deutschland nur für ein gutes Viertel der gesamten 446.000 Tonnen Kunststoff-Emissionen pro Jahr. Mikroplastik stellt hingegen 74 Prozent. „Dem, was jedem offensichtlich ist, steht also eine etwa dreifach größere Menge gegenüber, die zum Teil nur unter dem Mikroskop sichtbar wird“, heißt es in der Studie.

Dass Mikroplastik in Kosmetik mengenmäßig eine eher untergeordnete Rolle spielt, überrascht das Umweltbundesamt nicht. Die eigenen Fachleute seien zu der gleichen Erkenntnis gekommen, sagt Sprecher Felix Poetschke. „Es ist aber auch am einfachsten zu vermeiden.“ Auch die Reifenabriebmenge bewege sich im bisher berechneten Rahmen.

Großes Forschungsprogramm zu Kunststoffen

Daten zum gezielten Einsatz von Mikropartikeln zu erhalten, ist für die Forschung ausgesprochen schwierig. In einer 2015 vom Umweltbundesamt veröffentlichten Untersuchung zu den Quellen für Mikroplastik heißt es etwa, aufseiten der Industrie habe es nur eine geringe Bereitschaft gegeben, konkrete Angaben zu den gezielt eingesetzten Mengen und Materialarten zur Verfügung zu stellen.

Auch für diese Studie wurden deshalb die Zahlen anhand „plausibler Rechenwege abgeschätzt“. Am Beispiel Schuhsohlenabrieb erläutert Ko-Autorin Leandra Hamann das Verfahren: „Wir sind von der Gesamtzahl der pro Jahr in Deutschland verkauften Schuhe ausgegangen.“ Die durchschnittliche Schuhgröße, die Sohlenfläche und rund fünf ausgesonderte Paar Schuhe pro Kopf und Jahr gingen weiter in die Berechnungen ein.

Das Wissen über Herkunft, Verbreitung und Folgen von Plastik in der Umwelt ist insgesamt noch sehr lückenhaft. Deshalb hat das Bundesforschungsministerium ein großes Forschungsprogramm aufgelegt: 18 Projekte mit rund 100 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Kommunen sollen ein Gesamtbild zeichnen, wie Kunststoffe produziert, eingesetzt, gehandelt und entsorgt werden.

Fraunhofer-Forscher und Studienautor Jürgen Bertling warnt allerdings vor einem allgemeinen „Kunststoff-Bashing“. Wer die sehr geringen Recyclingquoten erhöhen wolle, müsse das schlechte Image von Kunststoffen verbessern: „Nur wenn Kunststoff für Produzenten und Verbraucher eine wirklichen Wert hat, wird die Wiederverwertung zunehmen.“

 

© 320°/dpa | 04.09.2018

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