Debatte um Diesel-Fahrzeuge

Gut drei Jahre nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen bei Diesel-Fahrzeugen lässt die Bundesregierung die Luftverschmutzung immer noch zu. Nun drohen in immer mehr deutschen Städten Fahrverbote. Verkehrsminister Scheuer will es nun mit einer Neuauflage der Umweltprämie versuchen.

Kommt eine neue Umweltprämie?


Beim Versuch, die Luftverschmutzung in deutschen Städten zu verringern, drängt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Autobauer zu verlockenderen Umstiegs-Angeboten für Besitzer älterer Diesel. „Die bisherigen Kaufprämien waren offenbar nicht attraktiv genug, sonst hätten sie mehr Leute genutzt“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für Pkw wie Transporter müssten die Hersteller nachbessern.

Besitzer älterer Wagen mit hohem Schadstoffausstoß müssten „höchst attraktive Angebote“ für den Wechsel in sauberere Autos erhalten, so der Minister. „Die Autohersteller sind hier zwingend in der Pflicht.“ So bekäme man schnell eine neue, saubere Flotte auf die Straßen – „und niemand müsste in die Vergangenheit investieren“, sagte er mit Blick auf mögliche Abgas-Umbauten an Motoren. Scheuer will in dieser Woche ein neues Konzept erarbeiten, um weitere Fahrverbote zu vermeiden.

Bereits nach dem Dieselgipfel im Sommer 2017 hatten die deutschen Hersteller sogenannte Umweltprämien gestartet. Ziel der Umweltprämie war es, alte Diesel-Pkw mit hohem Schadstoffausstoß von der Straße zu holen. Bis August dieses Jahres hatten mindestens 240.000 Kunden die Prämie in Anspruch genommen.

Schulze pocht auf Nachrüstungen

Kritik an Scheuers Vorstoß kam erneut von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Nicht jede oder jeder hat so viel Geld, sich mal eben ein neues Auto zu kaufen, selbst wenn es dafür einen Rabatt gäbe“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Es sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, ein wenige Jahre altes Euro-5-Fahrzeug zu verschrotten, das deutlich mehr wert sei, als eine Nachrüstung koste.

Die Umweltministerin pocht weiter auf Umbauten an Motoren. Nur mit Hardware-Umbauten ließen sich Fahrverbote vermeiden. „Die einzige Maßnahme, die wirklich viel bringt, ist die technische Nachrüstung von Diesel-Pkw in den betroffenen Regionen“, betonte sie.

Scheuer hingegen verwies erneut auf technische, rechtliche und finanzielle Bedenken, fügte aber hinzu: „Trotzdem müssen wir jetzt in alle Richtungen nachdenken.“ Nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – die lange ebenfalls gegen Hardware-Nachrüstungen argumentiert hatte – kündigte Scheuer ein neues Konzept an, zu dem auch „technische Lösungen“ für Bestandsfahrzeuge gehören könnten.

Unklar ist jedoch, wie die Autobauer dazu bewegt werden sollen, sich über die teils laufenden Software-Updates an 6,3 Millionen Autos hinaus zu beteiligen. „Wie das genau gelingt, wird Teil dieses Konzepts sein“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums.

Grüne sind skeptisch

Die Verbraucherzentralen mahnten, Umtauschprämien müssten mehr sein als ein Programm zur Absatz-Ankurbelung. „Alle Dieselbesitzer, die wegen Fahrverboten ihr Auto nicht mehr nutzen können, sollten ein Angebot von den Autoherstellern erwarten können“, sagte der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. „Angemessen wäre hier der Rückkauf ihres Fahrzeuges zum Zeitwert zuzüglich 1.000 Euro.“

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Hersteller werden nicht so attraktive Angebote machen, dass die Fahrer 15 Jahre alter Diesel-Pkw gleich einen Neuwagen ordern.“ Wer Fahrverbote verhindern wolle, müsse endlich Hardware-Nachrüstungen anschieben.

Hintergrund der Debatte ist, dass Dieselfahrern in immer mehr Städten Fahrverbote drohen, weil die Luftverschmutzung das in der EU erlaubte Maß überschreitet. Angesichts des jüngsten Urteils zu Fahrverboten in Frankfurt am Main im kommenden Jahr hatte sich die CDU-Spitze um Merkel für Hardware-Nachrüstungen geöffnet. In Hessen wird am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte: „Nach drei Jahren Dornröschenschlaf der Bundesregierung ist es im Dieselskandal 5 nach 12.“ Der Kuschelkurs von Scheuer und Merkel mit den Autoherstellern müsse beendet werden.

 

© 320°/dpa | 18.09.2018

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