EU-Gesetzgebung

Die Automobilbranche ist in Aufregung: Nicht nur bei den Diesel-Pkw gibt es Ärger, auch die Hersteller von Lkw sind aufgeschreckt: Ein EU-Gesetzesentwurf sieht vor, dass ab 2030 der CO2-Ausstoß stark gesenkt wird. Die Branche fürchtet um ihre Existenz.

Lkw-Hersteller fürchten CO2-Pläne der EU


Die EU macht Ernst mit ihren Plänen, die Luft in Europa sauberer zu machen. Mit zwei neuen Verordnungen soll die Industrie gezwungen werden, umweltfreundlichere Fahrzeuge zu bauen.

Die erste Verordnung hat das EU-Parlament Ende Oktober verabschiedet. Der Entwurf für die „Richtlinie über die Förderung sauberer Fahrzeuge“ liegt nun beim EU-Ministerrat. In dem Gesetzesentwurf wird gefordert, dass ab dem Jahr 2025 ein gewisser Prozentsatz der Nutzfahrzeuge aus der öffentlichen Beschaffung nur noch mit alternativen Antriebstechniken betrieben werden darf. Kommunalvertreter bezweifeln allerdings, dass die Lkw-Hersteller rechtzeitig adäquate und finanzierbare Fahrzeuge auf den Markt bringen werden.

Der zweite Gesetzesentwurf betrifft die Verordnung zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge. Der Entwurf der EU-Kommission sieht vor, dass Lkw, die ab dem 1. Januar 2030 auf den Markt kommen, 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen als im Jahr 2005. In einer Übergangsfrist vom 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2029 soll der Ausstoß gegenüber 2005 um 15 Prozent gedrosselt werden.

Allein diese Vorgaben würden die Industrie vor große Herausforderungen stellen. Aber nun könnte es noch dicker kommen. Denn am morgigen Mittwoch (14. November) stimmt das EU-Parlament über das Vorhaben ab und bekommt dabei einen überarbeiteten Entwurf des Berichterstatters Bas Eickhout vorgelegt. Darin wird eine noch höhere CO2-Einsparung gefordert: In der Übergangsfrist soll sie 20 Prozent und ab 2030 dann 35 Prozent betragen. Bei Verstößen drohen ungewöhnlich hohe Strafzahlungen – so hoch, dass sie „selbst große Nutzfahrzeughersteller in ihrer Existenz bedrohen könnten“, wie der Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, sagt.

Konzernvorstände und Betriebsräte schreiben Brandbriefe

Um das Vorhaben noch abzumildern, haben Konzernvorstände und Betriebsräte bereits Brandbriefe an die Politik geschrieben und gehen gemeinsam auf die Barrikaden. „Mit einer solchen Entscheidung setzt die EU Zehntausende Jobs alleine in Deutschland aufs Spiel“, warnt Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht.

Sein Kollege Saki Stimoniaris von MAN sieht das genauso. „Wenn es das Ziel der Europäischen Kommission und der EU-Parlamentarier ist, die europäische Nutzfahrzeugindustrie zu zerstören, dann handelt sie richtig“, sagt er bitter.

Für die EU-Abgeordneten im Umweltausschuss und der EU-Kommission steht aber bislang der Klimaschutz im Mittelpunkt. Mit dem Gesetzesentwurf sollen die großen Verschmutzer auf der Straße für mehr Klimaschutz sorgen, erklärte der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout. Hintergrund ist der weiter steigende Ausstoß des klimaschädlichen CO2 im Transportbereich. Laut EU-Kommission ist er heute um 19 Prozent höher als 1990, weil immer mehr Waren auf der Straße transportiert werden.

Protest der Autoindustrie

Der europäische Autoherstellerverband Acea, in dem sich auch die Lkw-Hersteller Daimler, MAN, Scania, Volvo und Iveco organisiert haben, bestreitet die Zahlen nicht. Der Lastverkehr wächst, das meiste davon rollt über die Straßen. Aber Lastwagen machten gerade mal fünf Prozent des CO2-Ausstoßes insgesamt aus, wendet der Verband ein.

Und der einzelne Lastwagen fährt immer sparsamer. Die Spritkosten machen ein Drittel der Betriebskosten aus. Jeder Liter mehr geht vom Gewinn des Spediteurs ab. Deshalb sind sparsame und damit emissionsarme Lastwagen für die Spediteure wie für die Lkw-Hersteller ein klarer Wettbewerbsvorteil. Im Durchschnitt sank der Verbrauch jedes Jahr um gut ein Prozent – ein schwerer Sattelschlepper schafft heute 100 Kilometer mit 30 Liter Diesel.

Es sei auch nicht ohne Weiteres möglich, die CO2-Einsparung über den Einsatz von Elektro-Lkw zu erzielen, meint der Automobilverband VDA. Anders als bei Autos sei ein Batterieantrieb für Fernlaster auf absehbare Zeit nicht marktfähig, gibt Verbandschef Mattes zu bedenken. Auch die tonnenschweren Akkus und langen Ladezeiten würden Probleme bereiten. Abgesehen davon fehle es an notwendigen Parkplätzen und Ladesäulen.

Hinzu komme, dass die Entwicklungszyklen bei Lastwagen mit 15 Jahren doppelt so lang sind wie bei Autos. Die erste CO2-Senkung fordern die EU-Politiker für 2025. „Den Abgeordneten sollte schon klar sein, dass Lastwagen, die 2025 auf den Markt kommen, heute schon in der Entwicklung sind“, sagte Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert.

Hohe Strafen bei Verstößen

Sollten die Lkw-Hersteller die CO2-Vorgaben nicht einhalten, drohen ihnen hohe Strafen. Schon bei einem Gramm Mehrausstoß kämen auf einen Hersteller mit 40.000 Lastwagen im Jahr 272 Millionen Euro Strafe zu, rechnet ein Beteiligter vor. Das sei existenzbedrohend, heißt es dazu in der Branche.

„Das Ergebnis dieser Politik kann sein, dass die europäischen Hersteller vom Markt verschwinden“, sagt MAN-Betriebsratschef Stimoniaris. In den Lkw- und Motorenwerken von MAN in München und Nürnberg und an den Standorten von Daimler in Wörth am Rhein, Gaggenau, Mannheim, Stuttgart und Kassel arbeiten gut 44.000 Menschen.

Aber es träfe nicht nur die Lastwagenbauer, sondern die gesamte Volkswirtschaft in Europa, weil Gütertransport teurer werde, sagte Daimler-Vorstand Martin Daum der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das wiederum wäre Gift für das arbeitsteilige Wirtschaftssystem, „weil ganze Wertschöpfungsketten verlagert werden könnten“.

Rückendeckung bekamen die EU-Politiker aber von der Deutsche-Bahn-Tochter Schenker. Er würde sich freuen, wenn das EU-Parlament für das 35-Prozent-Ziel stimmen würde, schrieb Schenker-Chef Jochen Thewes in einem Betrag für den Tagesspiegel.

 

© 320°/dpa | 13.11.2018

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