Untersagung von gewerblichen Sammlungen

Kurz nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zeigt die Recyclingfirma Paulus ihre gewerbliche Altpapiersammlung an. Das war im Juli 2012. Was folgt, ist eine jahrelange rechtliche Auseinandersetzung. Der Fall zeigt, welche Argumente herangezogen werden - und welche das Gericht gegebenenfalls überzeugen können.

„Nur unter engen Voraussetzungen“


Am 30. Juli 2012 wissen die Verantwortlichen der Recyclingfirma Paulus noch nichts von den Problemen, die auf sie zukommen werden. Rund drei Jahre wird sie die Angelegenheit beschäftigen. Dabei geht es um einen Streit, wie ihn viele andere Firmen in den vergangenen Jahren ebenfalls ausgetragen haben und es teilweise heute noch tun. Ein Streit, der seinen Ursprung im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz hat.

Das neue Gesetz für die Abfallwirtschaft ist am 1. Juni 2012 in Kraft getreten und zielt auf mehr Ressourceneffizienz durch mehr Recycling und Abfallvermeidung. In Paragraph 17 wird die Aufgabenteilung zwischen privater und öffentlich-rechtlicher Entsorgung von Haushaltsabfällen geregelt. Abfälle aus privaten Haushalten sind demnach grundsätzlich überlassungspflichtig. Gewerbliche Sammlungen sind zwar zulässig, dürfen aber die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht gefährden und auch deren Planungssicherheit und Organisationsverantwortung nicht wesentlich beeinträchtigen.

Um die ordnungsgemäße Tätigkeit der gewerblichen Sammlungen sicherzustellen, wird darüber hinaus ein neues Anzeigeverfahren eingeführt, das in Paragraph 18 geregelt ist. Die gewerbliche Sammlung muss fortan der zuständigen Behörde angezeigt werden.

Untersagung der Altpapiersammlung

Dieser Pflicht kommt auch die Recyclingfirma Paulus nach. Ihr Schreiben an das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz in Saarbrücken datiert vom 30. Juli 2012. Darin teilt sie der Behörde mit, dass sie bislang rund 16.5000 Tonnen Altpapier pro Jahr bei privaten Haushalten in verschiedenen saarländischen Gemeinden abholt. Dafür setzt sie etwa 86.000 blaue Tonnen ein.

Daraufhin vergehen einige Monate. Mitte Januar kommt dann Post von Landesamt. Die Behörde teilt Paulus am 11. Januar 2013 mit, dass der angezeigten gewerblichen Sammlung öffentliche Interessen entgegenstehen. Es folgen eine Anhörung und diverse Stellungnahmen, aber am 13. August 2014, gut zwei Jahre nach der Anzeige der gewerblichen Sammlung, ist es dann final: Paulus erhält eine Unterlassungsverfügung. Darin wird der Recyclingfirma untersagt, ab dem 1. September 2015 in den betreffenden Gemeinden gewerblich Altpapier zu sammeln. Der Rechtsstreit beginnt.

Gewerbliche Sammlung gefährdet Ausschreibung

Die Positionen liegen weit auseinander. Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz argumentiert, dass es sich bei Altpapier um überlassungspflichtigen Anfall handelt. Der gewerblichen Sammlung stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen, weil die Sammlung auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (örE) gefährde. Insgesamt würden die gewerblichen Sammlungen etwa 45 Prozent der potenziell verfügbaren Menge entziehen. Der öRE habe dadurch 2012 rund 2,3 Millionen Euro weniger eingenommen – Geld, das er zur Gegenfinanzierung unlukrativer Sparten seines Entsorgungssystems verwenden könnte.

Der örE macht keinen Hehl daraus, dass die gewerbliche Sammlung eine Konkurrenz darstellt. Denn er sammelt selbst Altpapier über Depotcontainer im Bringsystem. Die Sammlung wird flächendeckend angeboten, in den Kommunen Saarlouis und St. Ingbert bietet er außerdem die blaue Tonne als haushaltsnahes PPK-Holsystem an. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die PPK-Abfälle an 20 Wertstoffzentren abzugeben. Der örE plant zudem, zukünftig flächendeckend ein Erfassungssystem für PPK-Abfälle einzuführen, das aus einer Kombination von Holsystem (Blaue Tonne) und ergänzendem Bringsystem bestehen soll.

Ein Grundsatzbeschluss liegt dafür bereits vor. Der Aufsichtsrat des örE hat ihn am 9. Oktober 2012 gefasst. Geplant ist, die Leistungen zur Umsetzung des neuen Erfassungssystems über ein Vergabeverfahren an Dritte zu vergeben. Dazu sollen die Sammlung und der Transport von PPK einschließlich der Behältergestellung im Entsorgungsgebiet ausgeschrieben werden. Die gewerbliche Sammlung von Paulus steht aber hierbei im Wege. Denn Abfallmengen und somit auch Vorhaltekapazitäten würden dadurch unkalkulierbar, argumentiert der örE. Von daher sei es praktisch nicht möglich, eine konkrete Mengenangabe bzw. Mengenkorridore in der Leistungsbeschreibung zu beziffern.

Merkmal „wesentlich“ stellt hohe Anforderungen

Es gibt noch ein weiteres Argument, das der örE gegen die gewerbliche Sammlung anführt. Er bezweifelt, dass die gewerbliche Sammlung von Paulus wesentlich leistungsfähiger im Sinne des Paragraphen 17, Absatz 3 Satz 4 ist. Demnach bemisst sich die Leistungsfähigkeit nach den Kriterien Qualität, Effizienz, Umfang und Dauer. Darüber hinaus geht es um die Servicegerechtigkeit aus Sicht der privaten Haushalte.

Bei Letzterem macht der örE geltend, dass er im Gegensatz zu Paulus zwar kein Holsystem betreibt, aber die Bürger durch die hohe Anzahl an Containern im Zusammenhang mit den Wertstoffzentren vergleichbar erreiche. Die Argumentation von Paulus, dass seine Sammlung wesentlich leistungsfähiger sei, weil bei ihm jeder Bürger eine blaue Tonne erhalte und nicht zu einem Container oder Wertstoffhof fahren müsse, gehe fehl. Zum einen habe der Gesetzgeber durch das Merkmal „wesentlich“ hohe Anforderungen an den gewerblichen Sammler gestellt. Zum anderen würde damit auch ein zu hohes Gewicht auf den Punkt der reinen Servicegerechtigkeit gelegt.

Alle Argumente zusammen rechtfertigen für den örE die Untersagung. Weil Paulus bereits seit 2008 Altpapier sammelt, gesteht der örE ihm eine Frist zu, die Sammlung sozialverträglich abzuwickeln und sich weitere Geschäftsfelder zu erschließen. Ein Jahr habe er dafür Zeit, dann ist Schluss, legt der örE in der Untersagungsverfügung fest.

Nebeneinander existierende Systeme

Paulus prüft den Bescheid und beschließt, dagegen zu klagen. Er bezeichnet die Behauptung des örE, ihm würden durch die gewerblichen Sammlungen knapp 30.000 Tonnen entzogen, als abwegig. Auch die behauptete Erlösschmälerung weist er zurück. Außerdem betont er, dass der örE nicht gehindert sei, ein Vergabeverfahren hinsichtlich der bereits seit Jahren aufgestellten Altpapiercontainer durchzuführen, da ihm die notwendigen Daten vorlägen.

Paulus betont, dass seine gewerbliche Sammlung weder zu einer Erschwerung noch zu einem Unterlaufen im Sinne des Paragraphen 17, Absatz 3 Satz 3 führt. Seit Jahren existiere im Saarland das System einer gut funktionierenden Sammlung von PPK in Wertstoffhöfen und Containern, mit der mehr als die Hälfte des Altpapieranfalls im Saarland generiert werde. Daneben existiere das System einer haushaltsnahen Holsammlung durch Private. Die Sammlung von Paulus sei gerade in ländlichen Bereichen wesentlich leistungsfähiger, weil jedermann, der Papier sammeln und abgeben möchte, dies tun könne, ohne zu einem Container oder einem Wertstoffhof fahren zu müssen.

Keine Gefährdung des örE

Die wesentlichen Argumente sind damit ausgetauscht, nun muss das Verwaltungsgericht des Saarlands entscheiden. Die mündliche Verhandlung findet am 3. Juni dieses Jahres statt. Die Richter wickeln zunächst die üblichen Formalien ab und sprechen dann wenig später das Urteil: Sie geben Paulus Recht und weisen die Untersagung der Altpapiersammlung als unzulässig zurück.

Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass die gewerbliche Sammlung von Paulus die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des örE nicht wesentlich beeinträchtige. Von einer Gefährdung sei erst dann auszugehen, wenn die gewerbliche Sammlung es für den örE unmöglich mache oder wesentlich erschwere, vorgegebene Erfassungs- und Verwertungsquoten zu erfüllen.

Die Richter argumentieren, dass eine wesentliche Beeinträchtigung nach Paragraph 17 Absatz Satz 3 Nr. 1 dann vorliege, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der örE bereits eine haushaltsnahe Sammlung durchführt. Die Vorschrift diene dazu, die von örE eingerichteten haushaltsnahen Holsysteme vor einem „gewerblichen“ Rosenpicken zu schützen. „Eine bereits bestehende und funktionierende öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung soll davor geschützt werden, dass sich eine gewerbliche Sammlung daneben etabliert hat oder etablieren will“, betonen sie.

Nicht erfasst sei dagegen der Fall wie bei Paulus, in dem bereits eine funktionierende Sammlung durch einen gewerblichen Sammler besteht und ein örE für denselben Bereich eine eigene Abfallentsorgung erst einzurichten beabsichtigt. „Eine Untersagungsverfügung ist nach dem eng auszulegenden Grundmaßstab nur zulässig, um eine anders angebotene und funktionierende öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung zu sichern, nicht dagegen, um eine solche erst zu ermöglichen“, betonen die Richter.

Planungssicherheit für örE

Auch die Argumentation des örE, er plane bereits die Ausschreibung, überzeugt die Richter nicht. Denn bislang seien noch keine Entscheidungen getroffen worden, die aus finanziellen Gründen unumkehrbar seien. So seien noch keine Investitionen wie etwa die Beschaffung zusätzlicher Fahrzeuge oder von Sammelbehältern getätigt worden.

Allein die Planung eines Abfallwirtschaftskonzeptes rechtfertige noch keine besondere „Unterschutzstellung“, weil zu diesem Zeitpunkt die Fortführung der Abfallentsorgung in der ursprünglichen Form ohne Weiteres möglich sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Paulus die gewerbliche Sammlung angezeigt hat, bevor der örE die Einführung des Holsystems beschlossen hat.

Dass Paulus die Papiersammlung einstellen könnte, wenn die Papierpreise nicht mehr kostendeckend sind, lässt das Gericht als Argument ebenfalls nicht gelten. Denn nach Paragraph 18 Absatz 6 Satz 1 könne die Behörde bestimmen, dass die gewerbliche Sammlung mindestens für einen bestimmten Zeitraum durchzuführen ist. Der Zeitraum dürfe allerdings nicht länger als drei Jahre sein. Das diene der Planungssicherheit des betroffenen örE, betonen die Richter. Außerdem sehe Satz 2 einen Ersatzanspruch des örE gegenüber dem gewerblichen Sammler vor. Dadurch sei beispielsweise die Neuausschreibung von Sammlungs- und Verwertungsaufträgen oder die Aufstellung neuer Erfassungssysteme abgedeckt.

Letztlich konnte das Gericht auch keine Gefährdung der Gebührenstabilität erkennen. Für eine solche Gefährdung müsste der örE mit der umstrittenen Abfallfraktion in der Vergangenheit Erlöse erzielt haben. Diese Erlöse müssten sodann aufgrund der gewerblichen Konkurrenz gefährdet sein. Das sei im zugrunde liegenden Fall nicht gegeben, erläutern die Richter. Denn beide Systeme würden bereits seit 2008 nebeneinander existieren. Zu einer Gebührenerhöhung aufgrund einer geringer werdenden Altpapiermenge sei es in dieser Zeit nicht gekommen.

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