Modifiziertes Wertstoffgesetz

Das so genannte Verbändepapier spaltet das Lager der dualen Systeme. Vergangene Woche hatten die vier dualen Systeme BellandVision, Interseroh, Veolia Dual und Zentek teils deutliche Kritik an dem Verbändepapier geäußert. Nun widersprechen die drei dualen Systeme Grüner Punkt, Reclay und Landbell.

„Verbändepapier ist einzig realistische Alternative“


Die drei Systembetreiber unterstützen das Verbändepapier ausdrücklich und wollen die noch verbleibende Zeit nutzen, um längst überfällige Fortschritte beim Recycling zu erzielen. „Erstmals seit Beginn der Gespräche über ein Wertstoffgesetz ist es gelungen, führende Verbände aus Handel, Industrie und Recyclingwirtschaft gemeinsam mit kommunalen Spitzenverbänden an einen Tisch zu bringen und einen Kompromiss zu erarbeiten“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der drei Systeme. „Diesem sollte sich jetzt nicht verschlossen werden.“

Wie die Systembetreiber betonen, sei das ursprünglich geplante Wertstoffgesetz politisch nicht durchsetzbar. Deshalb gelte es, realisierbare Alternativen zu finden. „Ziel muss es sein, Klarheit für alle Beteiligten und damit Investitionssicherheit zu schaffen“, betonen die Systembetreiber. „Dazu gehören sowohl die Erhöhung der Recyclingquoten als auch die Schaffung einer schlanken Zentralen Stelle.“

Das Verbändepapier stellt aus ihrer Sicht eine solche Alternative dar. „Eine Totalverweigerung bringt niemanden weiter, sondern schadet dem Recyclingstandort Deutschland“, heißt es in der Mitteilung. Jetzt liege es am zuständigen Bundesumweltministerium, die Vorschläge aufzugreifen und in den nächsten Wochen einen Referentenentwurf vorzulegen.

„Gutes und wichtiges Signal“

Auch der bvse, einer der Mitunterzeichner des Verbändepapiers, betont: „Aus unserer Sicht besteht die absolute Notwendigkeit, dass noch in dieser Legislaturperiode ein entscheidender Fortschritt für mehr Recycling in Deutschland erreicht wird. Es geht also vor allem darum, dass deutlich höhere Recyclingquoten beschlossen und umgesetzt werden.“

„Prinzipienreiterei würde nur dazu führen, dass alles bleibt wie es ist“, erklärt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. “Das aber wäre keine gute Alternative. „Der bvse tritt daher dafür ein, die Dinge zu regeln, für die weitgehend Konsens hergestellt werden kann“, so Rehbock. Es sei daher ein gutes und wichtiges Signal an die Politik, dass Hersteller und Handel, die Kommunalen Spitzenverbände sowie der VKU und der bvse sich in wichtigen Fragen angenähert haben. „Das ist insgesamt ein großer Fortschritt und erhöht deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Neuregelung der Verpackungsentsorgung erfolgen kann.“

Entscheidend für die Funktionsfähigkeit, die Effizienz und die Bezahlbarkeit des Systems sei, dass die Vergabeentscheidungen im Wettbewerb getroffen werden, betont der bvse. Das Verbändepapier erfülle diese Maßgabe. „Klar ist aber auch, dass es ein Konsenspapier ist und damit auch Zugeständnisse an die Kommunen beinhaltet. Nicht mittragen können wir jedoch, dass Kommunen die Möglichkeit erhalten sollen, die Wertstofftonne zu stellen, sofern sie sich mit den Systemen auf die Einführung einer Wertstofftonne verständigt“, so Rehbock. Das sei ein unnötiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Insgesamt sei aber ein ausgewogenes und faires Papier erarbeitet worden.

„Bestenfalls eine Verpackungsverordnung 2.0“

Bei den Grünen hingegen stößt das Verbändepapier auf Vorbehalte. Die neuen Vorschläge zur Reform des Verpackungsrechts sind eine Rolle rückwärts nicht nur. „Was bisher bekannt geworden ist, lässt darauf schließen, dass die überkommenen Strukturen der Dualen Systeme weiter zementiert werden“, erklären Britta Haßelmann, Sprecherin für Kommunalpolitik, und Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Chancen einer Ausweitung der Produktverantwortung im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft für Verpackungen und Produkte würden wieder nicht genutzt.

Von Wertstoffsammlung könne keine Rede mehr sein, da stoffgleiche Produkte nun doch nicht mehr gemeinsam mit den Verpackungen gesammelt und verwertet werden sollen. „Die verpflichtende Einbeziehung dieser Stoffströme scheint der Suche nach einem Minimalkonsens zum Opfer gefallen zu sein“ so die beiden Grünen-Politiker. Gleiches gelte für die Einführung selbstlernender Recyclingquoten, die sich jeweils am technisch Machbaren orientieren und nicht immer wieder neu mühsam politisch festgelegt werden müssen.

„Schwer verständlich ist, dass sich Vertreter von Kommunen mit einem solchen Pseudo-Kompromiss abspeisen lassen“, monieren Haßelmann und Meiwald. Denn der vorliegende Entwurf löse weder die Frage der Transparenz für Bürgerinnen und Bürger, noch würden die rechtlichen Probleme im Zusammenspiel zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und Dualen Systemen gelöst.

„Wenn sich die Koalitionsfraktionen hier nicht noch sehr bewegen, droht entgegen der Versprechungen von Ministerin Hendricks aus 2014 weiterer Stillstand, bestenfalls eine Verpackungsverordnung 2.0“, befürchten die beiden Politiker. „Ohne ein echtes Wertstoffgesetz wird Deutschland aber weiterhin Verpackungsmüll-Europameister bleiben und die Ressourcenverschwendung wird fortgesetzt.“

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