Wind und Sonne

Ein vollelektrischer Betrieb der Schmelzwannen in der Glasproduktion wäre umweltfreundlicher, ist aber offenbar nicht so einfach. Ein Forschungsprojekt soll herausfinden, wie es möglich wäre.

Thüringer Glasproduktion soll klimafreundlicher werden


Die Technische Universität (TU) Ilmenau leitet ein groß angelegtes Forschungsprojekt zur Umstellung der Thüringer Glasindustrie auf eine klimafreundliche Produktion. Das auf drei Jahre angelegte Projekt wird vom Bund mit knapp 2,9 Millionen Euro gefördert, davon erhält die TU rund 1,3 Millionen Euro, wie die Universität am Donnerstag mitteilte.

Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Energieverbänden und Industrieunternehmen arbeiten Wissenschaftler der Universität daran, die Glasherstellung von klimaschädlichem Gas auf regenerative Energieträger umzustellen. Derzeit verwendet die Glasindustrie in Deutschland zum Schmelzen von Glas zu 90 Prozent Gas und nur zu 10 Prozent Strom. In Thüringen wird den Angaben zufolge derzeit nur eine von 41 Glaswannen mit Strom beheizt.

Knackpunkt erneuerbare Energien

Das Forschungsprojekt soll die Thüringer Wiegand-Glashüttenwerke mit Standorten unter anderem in Lauscha, Großbreitenbach und Schleusingen in die Lage versetzen, ihre Produktion auf vollelektrische Schmelzwannen umzustellen. Diese sollen mit regenerativen Energiequellen wie Wind und Sonne beheizt werden.

Vollelektrische Schmelzwannen für Produktionsmengen von mehr als 150 Tonnen pro Tag zu betreiben, sei jedoch nicht einfach, erklärt die Hochschule. Die Wannen müssten durchgängig sowie gleichmäßig und ausfallsicher beheizt werden, sonst könnten sie unbrauchbar werden. Dafür müsse die erneuerbare Energie an den Produktionsstandorten stetig und in ausreichender Menge verfügbar sein, und das zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen.

Die Wissenschaftler wollen in dem Forschungsprojekt auch herausfinden, ob die gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere energieintensive Industriezweige übertragbar sind. Die Glas- und Keramikindustrie gehört zu den energieintensivsten Wirtschaftszweigen. In Thüringen steht die Branche mit einem Anteil von rund
25 Prozent am Energieverbrauch der Industrie an der Spitze aller Wirtschaftszweige.

Versuche mit Wasserstoff

Um die Glasproduktion klimafreundlicher zu machen, gab es in den vergangenen Jahren auch Projekte zur Nutzung von Wasserstoff. An dem Projekt HyGlass etwa waren der Bundesverband Glasindustrie und das Gas- und Wärme-Institut Essen beteiligt. Gemeinsam haben sie eineinhalb Jahre den Einsatz von Wasserstoff in regenerativen Glasschmelzwannen untersucht, um Erdgas als Energieträger zu ersetzen. Dabei wurden sowohl Wasserstoff-Erdgas-Gemische als auch der Einsatz von reinem Wasserstoff untersucht.

Die Experimente und Simulationen hätten gezeigt, dass der Einsatz von Wasserstoff insgesamt moderate Auswirkungen auf die Verbrennung hat, solange Luftzahl und Brennerleistung durch eine Regelungsstrategie konstant gehalten werden, heißt es im Abschlussbericht vom Mai 2022. Sowohl die Ofenraumtemperatur als auch der Wärmeübergang blieben annähernd konstant. Der Einsatz von Wasserstoff könnte zu höheren NOx-Emissionen führen, die jedoch durch technische Maßnahmen an den Wannen kompensiert werden könnten.

Eine Herausforderung besteht jedoch darin, den Einfluss des Wasserstoffs auf die Glasqualität gering zu halten. Versuche haben gezeigt, dass es zu Verfärbungen kommen kann. Außerdem müsse die Verfügbarkeit von Ökostrom deutlich erhöht werden, damit die Glasindustrie langfristig auf Wasserstoff umstellen könne.

320°/dpa/re

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