Mittelständische Altpapierentsorger

Gute Nachfrage und hohe Sammelmengen: Der Altpapierbranche geht es auf den ersten Blick gut. Dennoch sieht der Mittelstandsverband bvse seine Mitglieder unter „höchstem wirtschaftlichen Druck“. Schuld daran seien die Kommunen und Großkonzerne.

In der Zange von Kommunen und Konzernen


Obwohl der Altpapiermarkt derzeit relativ stabil ist, zog Reinhold Schmidt, Vizepräsident des Entsorgerverbands bvse, auf dem Altpapiertag in Düsseldorf heute ein negatives Fazit: Die Unternehmen stehen unter „höchstem wirtschaftlichen Druck, der keinen Spielraum für weitere Verschlechterungen lässt.“

Als Grund für die angespannte Situation macht Schmidt unter anderem die aktuellen Rahmenbedingungen aus. Die kommunalen Vergabeverfahren seien teilweise „extrem mittelstandsfeindlich“. Die Ausschreibungsbedingungen würden häufig kleinere und mittlere Altpapierunternehmen an der Teilnahme hindern. Außerdem sei die Vertragsdauer mit maximal drei Jahren zu kurz. Zusätzlich ließen sich einige Kommunen die Option offen, bei Vertragsverlängerungen alte Konditionen zu verlangen. Externe Kostensteigerungen fänden keine Berücksichtigung.

Schmidts kritisierte darüber hinaus, dass die Altpapierrecycler teilweise Bestätigungen der Papierfabriken über die angenommenen Mengen abgeben müssen. „Für Altpapierrecycler, die nicht zu einem Papierproduzenten gehören, stellt dies eine nicht zu unterschätzende Hürde dar“, so Schmidt. Ebenfalls monierte er die Ausschreibungsbedingung, dass das Entsorgungsunternehmen eine Liste der LKW einreichen muss, die das Altpapier in die Papierfabrik transportiert.

Gutachten sieht effektiven Wettbewerb behindert

In seiner Kritik an dem starken Rekommunalisierungsdruck sieht sich der bvse auch durch ein Gutachten des Ökonoms und ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission Justus Haucap bestätigt. Haucap kommt darin zu dem Schluss, dass durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz privatwirtschaftliche Unternehmen systematisch bei der Sammlung benachteiligt werden. Dadurch werde effektiver Wettbewerb behindert. Bedenklich sei auch, dass die Kommunen auch die unteren Abfallaufsichtsbehörden besetzen. Das sei eine wettbewerbsrechtlich bedenkliche Verknüpfung von unternehmerischer Tätigkeit und Kontrollinstanz.

Neben den Kommunen bedrohen laut Schmidt auch Großkonzerne den Mittelstand. So habe eine von Remondis beauftragte Studie ergeben, dass die „Kommunalisierungsspirale“ zu einer Konzentration auf Seiten der privaten Entsorger führt. Den Remondis-Vorschlag, bei geplanten Übernahmen die Obergrenze für zulässige Martkanteile zu erhöhen, lehnt der Verband entschieden ab.

Eine Chance, die Lage der mittelständischen Altpapierunternehmen zu verbessern, sieht Schmidt in dem geplanten Wertstoffgesetz. Dabei dürfe jedoch Altpapier keinesfalls aus dem Wirkungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden. „Wir bestehen darauf, dass ein Wertstoffgesetz nur dann verabschiedet werden darf, wenn keine kommunale Organisationshoheit darin festgeschrieben wird“, sagte Schmidt. „Denn dies würde ansonsten den mittelständischen Entsorgungsstrukturen bis hinein in die noch bestehenden gewerblichen Sammlungen einen weiteren schweren Schlag versetzen.“

© 320°/ek | 21.04.2016

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