Winterreifen für Vorderachse

Winterreifen für Lkw sind Pflicht – aber bislang nur für die Antriebsachse. Eine geplante Gesetzesänderung könnte die Pflicht auf die vordere Lenkachse erweitern. Vertreter von Recyclingverbänden sind skeptisch.

Skepsis gegenüber erweiterter Winterreifen-Pflicht


In einem Schreiben an die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft appellieren die Branchenverbände BDSV, bvse und VDM, die Erweiterung der Winterreifenpflicht zurückzustellen. Sie empfehlen stattdessen zu prüfen, ob die Winterreifenpflicht für die vordere Lenkachse tatsächlich der Verkehrssicherheit dient. Denn gesicherte Erkenntnisse hierzu gibt es aus ihrer Sicht nicht.

Die geplante Ausweitung der Winterreifenpflicht würde alle Lkw ab 3,5 Tonnen treffen. Für sie gilt die Winterreifenpflicht bislang nur für die Antriebsachse. Ein Gesetzentwurf, der in der letzten Sitzung des Bundesrats am 10. Februar bereits auf der Tagesordnung stand, sieht die Ausweitung der Pflicht auf die vordere Lenkachse vor. Doch in letzter Minute wurde die Abstimmung über den Gesetzentwurf wieder von der Tagesordnung genommen.

Verkehrssicherheit als wesentliches Kriterium

Die drei Verbände drängen nun darauf, die Ausweitung der Pflicht unter verkehrssicherheitstechnischen Aspekten zu prüfen. „Die Reifen sind nicht nur extremen Temperaturschwankungen von Oktober bis Ostern ausgesetzt, sondern auch noch extremen Wetterverhältnissen. Daher wäre sicherzustellen, dass bei einer entsprechenden Ausrüstungspflicht der Vorderachse keinerlei sicherheitstechnischen Nachteile bei „nicht-winterlichen“ Straßenverhältnissen entstehen“, mahnen die Verbände an.

Darüber hinaus sollte abgeklärt werden, inwieweit ein Winterreifen auf der Lenkachse durch seinen erhöhten Rollwiderstand zusätzliche CO2-Emissionen, zusätzlichen Abrieb (beispielsweise in Form von Feinstaub) und ggf. erhöhte Abrollgeräusche und somit erhöhten Lärm erzeugt. „Diese Aspekte mögen im Kontext der Verkehrssicherheit zwar nachrangig sein, aus umweltrelevanten und umweltpolitischen Gründen sind sie in die Betrachtung mit einzubeziehen“, meinen die Verbände. Von der neuen Regelung betroffen seien rund 1,2 Millionen Lkw. Davon seien 720.000 in Deutschland zugelassen, weitere 480.000 seien ausländische Nutzfahrzeuge, die in Deutschland unterwegs sind.

Gutachten abwarten

Bevor der Bundesrat eine Entscheidung über die erweiterte Winterreifenpflicht trifft, sollte zudem ein Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) abgewartet werden. Das BASt hat vom Bundesverkehrsministerium den Auftrag, die Notwendigkeit einer erweiterten Winterreifenpflicht für Lkw zu untersuchen. Eine wissenschaftliche Analyse der wechselseitigen Auswirkungen sei unabdingbar, um Risiken zu Lasten der Verkehrssicherheit auszuschließen, betonen die Verbände.

Sie kritisieren damit auch die vorliegende Begründung der Bundesrats-Ausschüsse, die erweiterte Winterreifenpflicht einzuführen. Die Ausschüsse verweisen auf „Testergebnisse der Fachpresse sowie von Reifenherstellern“, wonach sich bei winterlichen Bedingungen eine „Verbesserung der Fahrstabilität sowie eine erhebliche Verkürzung des Bremsweges von Lkw und Lkw-Gespannen“ feststellen lasse, wenn diese auf allen Achsen mit Winterbereifung ausgerüstet wären.

„Leider konnten wir auf die nicht näher zitierten bzw. spezifizierten Testergebnisse nicht zugreifen, da sie nicht öffentlich und damit nicht nachprüfbar sind, so dass unklar ist, unter welchen Prüf- und Vergleichsbedingungen diese Tests durchgeführt wurden“, schreiben die Verbände. Auch deshalb sollten die Ergebnisse des BASt abgewartet werden. Nachprüfbare Erkenntnisse sollten nicht das Nachsehen gegenüber nicht öffentlichen Testergebnissen haben, „an denen die nicht namentlich bekannten beteiligten Gruppen verständlicherweise ein erhöhtes wirtschaftliches Interesse haben“.

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