Sozialer Ausgleich

Der CO2-Preis beim Tanken und Heizen soll schneller steigen, fordern mehrere Umwelt- und Sozialverbände. Starke CO2-Verursacher müssten folglich mehr bezahlen. Im Gegenzug soll der Staat die Einnahmen an die Bürger zurückgeben – allerdings unabhängig vom Einkommen.

Bündnis will schnelle Einführung einer Klimaprämie


Ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen fordert die Bundesregierung auf, schnell eine „Klimaprämie“ einzuführen. Zugleich solle der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich schneller angehoben werden, um eine Lenkungswirkung zu entfalten – das würde bedeuten, dass starke CO2-Verursacherfossile Energieträger wie Öl und Gas und damit Tanken und Heizen teurer würden.

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten pro Kopf an die Bevölkerung zurückgegeben werden, teilten die Verbände am Donnerstag mit. Das bedeutet: Jede Person würde bei der Prämie denselben Betrag erhalten, unabhängig von Einkommen und der Höhe der durch Heizen und Autofahren verursachten CO2-Emissionen.

„Wer viel CO2 auspustet und damit das Klima stärker belastet, zahlt viel, wer wenig CO2 emittiert, zahlt wenig. Aber alle bekommen das Gleiche zurück“, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Die Studie geht davon aus, der Staat pro Kopf rund 130 Euro pro Jahr zurückerstatten müsste.

„Der Tod des Guten“

In der Studie der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer wird die geforderte Klimaprämie damit begründet, dass aktuell diskutierte Maßnahmen wie etwa die Absenkung der EEG-Umlage oder eine höhere Pendlerpauschale nicht ausreichend seien, um die sozialen Belastungen steigender CO2-Preise wirksam kompensieren zu können. Eine Pro-Kopf-Rückverteilung hingegen sei „bürokratiearm, kosteneffizient, rechtssicher“ und könne im Einklang mit dem Datenschutz umgesetzt werden. Die „Klimaprämie“ könnte über bereits bestehende Auszahlungswege an die Bürger fließen.

Mögliche Auszahlungswege wären die monatliche Lohnsteuerabrechnung, die monatliche Überweisung der gesetzlichen Renten, die monatliche Auszahlung der Grundsicherung und die Jahressteuererklärung. Die Studie sieht die Einrichtung eines digitalen „Klimaprämienregisters“ beim Bundeszentralamt für Steuern vor. Dieses könne auf Grundlage der Steuer-ID die Erfassung nahezu aller Empfangsberechtigten sicherstellen.

„Jede Klimapolitik wird krachend scheitern, wenn wir die Menschen nicht mitnehmen“, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider.  Auf die Frage, ob eine nach Einkommensstufen gestaffelte Prämie nicht gerechter sei, sagte Schneider, eine Staffelung wäre in der Umsetzung sehr komplex: „Es wäre der Tod des Guten.“

Lenkungswirkung erst ab 50 Euro?

Aktuell liegt der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich bei 30 Euro pro Tonne, er steigt laut Gesetz bis 2025 auf 55 Euro an. Von 2026 an soll ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro und einem Höchstpreis von 65 Euro festgelegt werden. Derzeit habe der CO2-Preis keine Lenkungswirkung, sagte Antje von Broock, Geschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Die Lenkungswirkung würde bei 50 Euro beginnen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch kritisierte den Vorschlag: „Wer jetzt die Erhöhung des CO2-Preises fordert, der nimmt eine Überforderung breiter Bevölkerungsgruppen in Kauf, die nicht einfach auf neue Heizsysteme oder Elektrofahrzeuge umsteigen können.“ Eine „Kopfpauschale“ ändere daran nichts.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist nicht konkret genannt, wann ein Klimageld oder eine Prämie kommen soll. Dort heißt es lediglich, es solle ein „sozialer Kompensationsmechanismus“ über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus entwickelt werden. Im Koalitionsvertrag ist die Rede von einem „Klimageld“. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm für ein „Energiegeld“ geworben.

Der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Olaf in der Beek, sagte: „Wir müssen nun zügig das Klimageld auf den Weg bringen, damit die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen trotz eines steigenden CO2-Preises nicht gefährdet wird.“ Die Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum sagte: „Sicher ist: Das perfekte Modell mit hundertprozentiger Sichtbarkeit für die Bürgerin und null Prozent Bürokratie wird es nicht geben. Wichtig ist vor allem, dass sich die Ministerien schnell auf einen Prozess einigen, damit das Klimageld in 2023 ausgezahlt werden kann.“ SPD-Fraktionsvize Miersch dagegen wies vor allem auf die geplante Abschaffung der EEG-Umlage hin.

Die Studie wurde in Auftrag gegeben von der Klima-Allianz Deutschland, dem Deutschen Naturschutzring, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Germanwatch, dem Institut für Kirche und Gesellschaft der evangelischen Kirche von Westfalen und dem WWF Deutschland.

320°/dpa/re

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