Flammschutzmittel

Vielen Kunststoffrecyclern droht neues Ungemach: Auf EU-Ebene kursiert ein Vorschlag für die drastische Grenzwertverschärfung eines Flammschutzmittels. Die Verschärfung fällt derart stark aus, dass das Recycling von Kunststoffen aus Elektroaltgeräten gefährdet wäre.

Neues Schreckgespenst für Kunststoffrecycler


In Elektrogeräten werden rund drei Millionen Tonnen Kunststoffe verbaut. Davon werden gut 1,2 Millionen Tonnen aus E-Schrott zurückgewonnen. Noch, muss man inzwischen einschränken, denn Recycler befürchten, dass ein Teil künftig verbrannt werden muss.

Grund für die Sorge ist ein neuer Vorschlag seitens EU-Parlament und EU-Rat, die Grenzwerte für DecaBDE-haltige Kunststoffe zu verschärfen. Solche Kunststoffe finden sich unter anderem in Elektroaltgeräten. DecaBDE steht für Decabromdiphenylether und ist ein Flammschutzmittel. Der Vorschlag sieht vor, dass der Anhang der Verordnung über persistente organische Schadstoffe (POPs) neu gefasst wird: Geplant ist demnach ein Grenzwert von 10 Milligramm je Kilogramm für DecaBDE, also 0,001 Gewichtsprozent.

Vertreter der Recyclingindustrie weisen darauf hin, dass dieser Wert unterhalb der Nachweisgrenze liegt. Bislang werden Flammhemmer wie DecaBDE beim Recycling in einer separaten Schadstoffentfrachtungsstufe weitgehend abgetrennt und in geeigneten Verbrennungsanlagen entsorgt, so dass die wiederaufbereiteten Kunststoffe nicht mehr als 1.000 ppm der Flammschutzmittel enthalten. Ein Grenzwert von 10 ppm dagegen sei weder technisch noch wirtschaftlich möglich, erklärt Chris Slijkhuis, Vorstand in der European Electronics Recyclers Association (EERA). Außerdem gebe es vermutlich gar keine Analysenmethoden, um solche Werte überhaupt messen zu können.


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[su_spoiler title=“Stichwort: DecaBDE“]

  • DecaBDE ist die Abkürzung für Decabromdiphenylether oder Bis(pentabromphenyl)ether.
  • Der Stoff ist ein Flammschutzmittel, das als Additiv insbesondere Kunststoff- und Textilerzeugnissen genutzt wird. Darüber hinaus wird es in Klebstoffen, Dichtmassen, Beschichtungen und Druckfarben verwendet.
  • Das Flammschutzmittel wird als persistenter, bioakkumulierbarer und toxischer Stoff sowie als sehr persistenter und sehr bioakkumulierbarer Stoff eingestuft.
  • Ab 2. März 2019 soll Decabromdiphenylether in der EU verboten werden. Für Fahrzeuge und Maschinen, die vor diesem Termin produziert werden, gibt es eine Ausnahme. Die Luftfahrtindustrie muss das Verbot bis 2. März 2027 umsetzen.

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Die beiden europäischen Recyclingverbände EERA und EuRIC schlagen stattdessen vor, den geplanten Grenzwertwert für DecaBDE an die EU-Chemikalienverordnung REACH anzugleichen. Dort gilt ein Wert für DecaBDE von 1.000 Milligramm je Kilogramm, also 0,1 Gewichtsprozent. Die Schwelle wurde erst vor einem Jahr eingezogen.

Alternativ wäre es möglich, keine Konzentrationsgrenze für DecaBDE festzulegen, erklärt Slijkhuis. Dann könnte man das Ende der Diskussionen auf Ebene der Stockholmer und Basler Übereinkommen abwarten, um die POP-Verordnung über die darin festgelegten Verfahren an die bevorstehenden Änderungen anzupassen.

Sollte künftig dennoch der schärfere Grenzwert von 10 Milligramm je Kilogramm kommen, „wird das Recycling von Kunststoffen aus Elektroschrott und aus Altfahrzeugen zu einem Ende kommen“, warnt Slijkhuis. Betreiber entsprechender Behandlungsanlagen müssten dann schließen. Betroffen wäre auch der österreichische Recycler Müller-Guttenbrunn, für den Slijkhuis den Bereich Public Affairs verantwortet. Müller-Guttenbrunn recycelt in der Anlage in Kematen/Ybbs jährlich rund 50.000 Tonnen Kunststoffe aus Elektronik-Altgeräten.

Kunststoffanteile beim E-Schrott-Recycling

 

© 320°/bs | 26.06.2018

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