Einwegverpackungen

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Die Verpackungssteuer in Tübingen ist rechtmäßig. Die Steuer stehe nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Tübingen besitze die Kompetenz, eine solche Steuer zu erheben.

Urteil: Tübingen darf Verpackungssteuer erheben


Die Universitätsstadt Tübingen darf eine Verpackungssteuer auf Einwegbecher und Essensverpackungen erheben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch entschieden (Az.: BVerwG 9 CN 1.22). Damit hob das Gericht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf, das in der Vorinstanz die Tübinger Satzung für unwirksam erklärt und dies unter anderem mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer und ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht begründet hatte.

In Tübingen gilt die Verpackungssteuer bereits seit dem 1. Januar 2022: Einwegverpackungen und Einweggeschirr werden mit jeweils 50 Cent netto besteuert, für Einwegbesteck beträgt die Steuer 20 Cent netto. Pro „Einzelmahlzeit“ ist ein Betrag von höchstens 1,50 Euro festgelegt. Wegen des laufenden Rechtsstreits wurden bisher aber noch keine Steuern eingezogen.

Die Steuer bezahlen müssen unter anderem Gaststätten und Restaurants, Cafés und Imbissläden, Bäckereien und Metzgereien, Lebensmittelgeschäfte und Tankstellen, die Take-away-Gerichte und „Coffee to go“ in nicht wiederverwendbaren Verpackungen verkaufen. Die Betreiberin einer McDonald’s-Filiale in Tübingen hatte gegen die kommunale Verpackungssteuersatzung geklagt und sich beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg auch durchgesetzt. Die Stadt Tübingen hatte daraufhin Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

Kritik am Begriff „Einzelmahlzeit“

Das Bundesverwaltungsgericht urteilte nun, dass es sich bei der Verpackungssteuer entgegen der Ansicht der Vorinstanz um eine örtliche Verbrauchsteuer handele, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr verkauften Speisen und Getränken finde der Konsum und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen typischerweise innerhalb des Gemeindegebiets statt. Damit sei der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.

Die Verpackungssteuer stehe zudem nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes, da die Verpackungssteuer die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet bezwecke und damit auf lokaler Ebene dasselbe Ziel wie der Bundesgesetzgeber verfolge. „Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern, werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen“, stellte das Gericht klar.

Einzelne Punkte der Satzung erklärten die Bundesrichter allerdings für nichtig, etwa weil der Begriff „Einzelmahlzeit“ zu unbestimmt war. „Diese punktuellen Verstöße lassen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt“, so das Gericht.

Umwelthilfe appelliert an Städte und Gemeinden

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnete das Urteil in einer ersten Reaktion als „Durchbruch für Umwelt- und Klimaschutz“. Der Umweltverband appelliert nun an alle deutschen Städte und Gemeinden, das Tübinger Model nachzuahmen. Die Verteuerung von Einweg sei eine der wirksamsten Maßnahmen gegen die Müllflut, erklärt der Umweltverband. Die Vermüllung des öffentlichen Raumes in Tübingen habe mit Einführung der Verpackungssteuer deutlich abgenommen.

Daneben fordert die DUH von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), den Einsatz von Einweg-Verpackungen beim Vor-Ort-Verzehr in Gastronomiestätten grundsätzlich auszuschließen. Frankreich habe ein solches Einweg-Verbot für den Vor-Ort-Verzehr bereits erfolgreich eingeführt. McDonald’s gebe in Frankreich Pommes, Happy Meals und Co. „problemlos“ in Mehrweggeschirr heraus. „McDonald’s kann also Mehrweg und sollte dies nun auch hierzulande für alle seine Produkte anbieten“, fordert Elena Schägg, DUH-Expertin für Kreislaufwirtschaft. McDonald’s müsse nun seine „Blockadehaltung gegen Mehrweg“ aufgeben.

320°/dpa/re

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